Musikalischer und schauspielerischer Genuss mit Bach-Kantaten im Schloss-Innenhof
Von Axel Sawert
Jever – Ein schöneres und passenderes Ambiente für die Aufführung der Kaffeekantate und der Bauernkantate von Johann Sebastian Bach und seines Dichterfreundes Picander kann man sich in der hiesigen Region kaum vorstellen. Denn der Innenhof des Schlosses zu Jever bietet genau die richtige Atmosphäre und zudem eine unglaublich transparente und tragfähige Akustik für kammermusikalische Aufführungen wie jetzt im Rahmen der Konzertreihe „Klassik am Meer“. Etwa 100 Gäste genossen die Aufführung des Gesangstrio (Christina Germolus, Sopran; Wolf-Matthias Friedrich, Bass; Michel Gattwinkel, Tenor) und des achtköpfigen Instrumentalensembles unter Leitung von Torsten Johann. Rechtzeitig zum Konzert am Freitagabend (eine weitere Aufführung gab es am Samstagabend) war auch die sommerlich drückende Schwüle angenehmeren Temperaturen gewichen.
Lust und Freude am Spiel
Wenn man sich die Texte beider Kantaten schmunzelnd vergegenwärtigt, wird man kaum umhinkommen, diese beiden Werke auch szenisch aufführen zu wollen. Das setzt allerdings voraus, sängerische Protagonisten und Protagonistinnen verpflichten zu können, die nicht nur gut singen können, sondern auch Lust und Freude am Spiel besitzen. Was das angeht, haben die Organisatoren um Helmut Bär echte Volltreffer gelandet. In der „Coffee-Cantata“ (BWV 211), die Bach selbst um 1734 im Zimmermanschen Kaffeehaus in Leipzig aufgeführt hat, sträubt sich Vater Schlendrian gegen den in seinen Augen unbotmäßigen Kaffeekonsum seiner Tochter Ließgen.
Süffisant und mit unglaublichem Charme
Sogar die Einwilligung zur Ehe will er ihr verwehren, wenn sie nicht auf Kaffee verzichten wolle. Sie willigt dann listig ein, mit der verheimlichten Maßgabe, nur einen Mann zu heiraten, der ihr nicht dieses Genussmittel versagt. Süffisant und mit unglaublichem Charme umgarnt Christina Germolus als Ließgen ihren doch liebevollen Vater und verzaubert auch das Publikum. Natürlich hat auch die hier leichtfüßige eingängige Barockmusik, hervorragend musiziert von den Instrumentalisten und Instrumentalistinnen, für die adäquate Stimmung gesorgt. In diesem Stück hatte Michel Gattwinkel mit zwei Rezitativen und im abschließenden Terzett mit seiner schönen schlanken Tenorstimme überzeugt. Nach der Pause folgte die Bauernkantate (BWV 212), eine ländliche Burlesque zu Ehren einer neuen Obrigkeit. Hier hatte sich Christian Friedrich Henrici alias Picander einer Sprache sächsischer Mundart und frivolen Texten bedient, wie sie wohl auf dem Lande damals üblich war. Wie gut, dass Torsten Johann im Programmheft mit seinen Kommentaren den Text erhellt hat.
Frivole Burlesque auf Sächsisch
Ein Bauer, der Mieke sehr „zugetan“ ist (Bauer: „Nu, Mieke, gib dein Guschel her.“ Mieke: „Wenn’s das alleine wär…“) befürchtet von der neuen Obrigkeit ausgebeutet zu werden. Mieke glaubt eher an die Gutwilligkeit und überzeugt den Bauern, sich bei den Beamten des neuen Herrn in einer Schenke einzuschmeicheln, um die neue Obrigkeit gnädig zu stimmen. Für das Schauspiel haben sich die Sopranistin und der Bass während der sängerischen Darbietungen in das Publikum begeben, um die Grenze zwischen Musikanten und Publikum aufzulösen und die Zuhörerschaft einzubeziehen. Zu der lockeren Atmosphäre passten die sängerischen Fähigkeiten der Solisten. Christina Germolus Mezzosopran-Stimme glänzte über alle Lagen hinweg mit mehrdimensionaler, situationsangemessener Stimmfärbung in leisen wie lauten Passagen. Und ebenbürtig auch WolfMatthias Friedrich mit seinem kernigen Bass, der auch die Koloraturen völlig mühelos heraussprudelte. Mit langem Applaus und bester Laune endete dieser heitere Sommerabend im Innenhof des Schlosses zu Jever.
Text: Axel Sawert
Fotos: Jenny Rosentreter