Premiere eines unterhaltsamen Experiments
Klassik am Meer Pianist Simon Kasper und Schauspielerin Steffi Baur verzaubern mit Wort und Musik
Von Wolfgang A. Niemann Wilhelmshaven – Ein hallenartiger schwarzer Raum, dessen Decke nur zu erahnen ist, an den Wänden geheimnisvolle technische Einrichtungen und viele Seile – hier haben Unbefugte eigentlich nichts zu suchen. Am Dienstagabend, 23. September, jedoch war diese sogenannte Hinterbühne des Wilhelmshavener Stadttheaters Schauplatz einer ungewöhnlichen Premiere: „Wort & Musik“ mit Pianist Simon Kasper und Schauspielerin Steffi Baur. Die beiden Künstler hatten die Idee – und in Zusammenarbeit von Klassik am Meer (KaM) und der Landesbühne Niedersachsen Nord setzten sie dieses Experiment um. KaM-Organisator Helmut Bär bedauerte, dass aus sicherheitstechnischen Gründen nur 99 Plätze zugelassen waren. Doch die waren im Nu ausverkauft. Und die Kunstfreunde wurden wahrlich verwöhnt, denn die Darbietungen dort, wo sonst die Schauspieler ihre Künste zeigen, waren so außergewöhnlich wie der Schauplatz.
Zum Auftakt gab es die sogenannten Balladen der Deklamation „Die Flüchtlinge“ und „Ballade vom Haideknaben“ von Robert Schumann (opus 122, 2 und 122,1). Steffi Baurs mit viel Drama in der Stimme vorgetragener Text wurde kongenial von Simon Kaspers Spiel unterlegt und begleitet. Doch es wurde nicht nur dramatisch, denn die Gedichte „Novelle“ und „Gedanken“ des Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse waren eher romantisch geprägt und bei Theodor Storms kurzem Schmankerl „Von Katzen“ kam sogar Heiterkeit auf.
Erlesenes auch im zweiten Teil: Nach weiteren Lesungen, von Kasper – der bekanntlich auch musikalischer Leiter bei der Landesbühne und damit hier quasi zu Hause ist – mit stets ebenso präzisem wie seidigem Anschlag umrahmt, führte er mit Johannes Brahms’ filigran vorgetragenen „Klavierstücke“ (opus 76) in die Pause. Auch im zweiten Teil boten Stimme und Tastenspiel Erlesenes, das durch die ausgezeichnete Akustik in diesem Ambiente endgültig zum Hochgenuss wurde. Romantisch-dramatisch fesselte da die Ballade „Lenore“ mit den Worten von Gottfried August Bürger, verwoben mit den dazu komponierten Begleitungen von Franz Liszt. Nach einem feinsinnigen Zwischenspiel mit Frédéric Chopins „Ballade“ (opus 47) dann die geradezu majestätische Ouvertüre zu „Der blinde Sänger“, erneut einem Werk von Liszt. Wie ein Hörspiel von souveräner Frauenstimme und ebensolchem Tastenklang fesselte da Alexej Tolstois Geschichte, die Liszt als Libretto zur Vertonung nutzte. Der große Schlussapplaus bestätigte Künstlern und Organisatoren zweifelsfrei: Dieses Experiment war ein voller Erfolg und sollte Mut zu mehr davon machen.
Text: Wolfgang A. Niemann (Wilhelmshavener Zeitung vom 25.09.2025)
Fotos: Jenny Rosentreter