Bei »Klassik am Meer« im Schloss Gödens erklang selten Gehörtes – Bravo-Rufe vom Publikum
Aus der »Wilhelmshavener Zeitung«, 09. November 2023 | von Hartmut Siefken | Fotos: Jenny Rosentreter
Joachim Raff? Nie gehört. Ein Komponist? Er kommt im Kulturprogramm zur Hauptsendezeit, so flach wie der Norden, nicht oft vor. Dabei war Raff zu seiner Zeit ein viel gespielter und hoch angesehener Komponist. Er lebte von 1822 bis 1882, war musikalischer Autodidakt, als Komponist überaus produktiv und schließlich 1878 erster Direktor des neu gegründeten Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt.
»Klassik am Meer», die vom Cembalisten Torsten Johann initiierte Konzertreihe, nahm ihn ins Programm und gab damit dem Publikum die Gelegenheit zur (Wieder)entdeckung eines offensichtlich großen musikalischen Schatzes. Gespielt wurde Raffs Klavierquartett G-Dur, Op. 202 Nr. 1, dargeboten von Gregory Ahss (Violine), Simon Kasper (Klavier), Konstantin Pfiz (Violoncello) und Oliviero Hassan (Viola). Im Barocksaal des Schlosses Gödens widmeten sich die Vier der Romantik, auf Raff folgte Robert Schumann mit seinem Klavierquartett Es-Dur, Op. 47. Hausherr Maximilian Graf von Wedel begrüßte die Gäste in dem Saal mit seinen deckenhohen allegorischen Gemälden – ein wunderschöner Rahmen für Kammermusik.
Raff geriet nach seinem Tod trotz seiner Werkfülle mehr oder weniger in Vergessenheit. Zu Unrecht, wie sein Klavierquartett lehrte. Es ist ein Ohrenschmeichler, bietet eine Fülle musikalischer Einfälle und Stimmungen, die von den Musikern dieses Abends mit großem Feingefühl und scheinbar spielerischer Leichtigkeit dargeboten wurden.
Ob bei Raff oder später bei Schumann, in diesem intimen Rahmen erkennt auch der Laie, was es heißt, Musik auf diesem hohen Niveau zu spielen, welche Konzentration es erfordert und dass es gar nicht selbstverständlich ist, wie sich eins ins andere fügt, so präzise und doch gefühlvoll, wie die Instrumente einander umspielen, hier dem andern den Vortritt lassen, sich im nächsten Moment kraftvoll vereinen, und wie die Musiker wie auf geheime Verabredung die Tempiwechsel im Gleichklang vollziehen. Bei beiden Komponisten loteten die vier Musiker die Stimmungen in ihrer ganzen Tiefe aus, vom innigsten Piano mit feinstem Bogenstrich bis zur Dramatik im akkordischen Forte.
Das Publikum sah sich am Ende reich beschenkt und quittierte das Konzert mit Bravo-Rufen und lang anhaltendem Applaus. Es folgten zwei Zugaben: Den langsamen Satz aus dem Klavierquartett wollte Kontantin Pfiz dem in diesem Jahr verstorbenen Nestor der Wilhelmshavener Schulmusik, Manfred Szobries, der auch ihn in jungen Jahren geprägt hatte, gewidmet sehen. Mit dem „Liebesliedchen“ von Richard Strauß endete das Konzert in feinsinniger Heiterkeit
Text: Aus der »Wilhelmshavener Zeitung«, 09. November 2023 | von Hartmut Siefken
Fotos: Jenny Rosentreter
Violine
Schon im Alter von fünf Jahren begann der israelische Violinist Gregory Ahss mit dem Geigenunterricht an der Gnessin Musikschule in seiner Geburtsstadt Moskau. Während seiner Ausbildung, die ihn an das israelische Konservatorium, die Akademie für Musik in Tel Aviv und das New England Conservatory of Music in Boston führte, gewann er bereits namhafte Wettbewerbe als Solist, aber auch als Kammermusiker mit dem von ihm gegründeten Tal Piano Trio. Er konzertierte unter der Leitung von Claudio Abbado und Yannick Nézet-Séguin, mit dem Mahler Chamber Orchestra, dem Orchestra Mozart Bologna und der Camerata Salzburg. Als Konzertmeister gastierte er schon in vielen führenden Orchestern – beim London Symphony Orchestra genauso wie beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder den Bamberger Symphonikern. Von 2005 bis 2011 war Gregory Ahss Konzertmeister des Mahler Chamber Orchestra, seit 2012 steht er in derselben Position an der Spitze der Camerata Salzburg, und seit 2009 wirkt er, ebenfalls als Konzertmeister, im Lucerne Festival Orchestra mit.
Foto: © Jenny Rosentreter
Viola
Der Bratscher Oliviero Hassan wurde 1978 geboren. Er begann seine Ausbildung zunächst an der Geige bei Abraham Jaffé und Amadeus Heutling in seiner Heimatstadt Berlin. Erst nach seinem Studium bei Mariana Sirbú an der Hochschule Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, richtete er seinen Fokus ganz auf die Bratsche. Hier gehörten Erich Krüger und Ditte Leser zu seinen wichtigsten Lehrern. Von 2008 bis 2019 war er Mitglied des Bergen Philharmonic Orchestra. Als Solist und Kammermusiker trat er regelmäßig beim Grieg Festival in Bergen auf. Als Gast spielte er bei Orchestern wie dem SWR Sinfonieorchester, dem NDR Elbphilharmonie Orchester und dem Konzerthausorchester Berlin. Seit 2021 ist er als Vorspieler im Philharmonischen Orchester Kiel beschäftigt.
Foto: © Christoph Risch
Violoncello
Konstantin Pfiz wurde 1967 in Wilhelmshaven geboren. Zu seinen wichtigsten Lehrern zählen Georg Faust (Solocellist der Berliner Philharmoniker), David Strange (Royal Academy of Music London) und Harvey Shapiro (Juilliard School of Music New York). Weitere Lehrer waren David Geringas, Boris Pergamenschikow, Paul Tortelier, Heinrich Schiff und Daniel Schafran. Konstantin Pfiz gewann den Schumann-Preis in London und den Ersten Preis beim Deutschen Musikwettbewerb. Als Solist trat er unter anderem mit den Münchner Symphonikern, den Bremer Philharmonikern, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Orchestra Mozart unter Dirigenten wie Daniel Harding, Yannick Nézet-Séguin, Andrés Orozco-Estrada und Claudio Abbado auf. Auch die Kammermusik spielt in seinem künstlerischen Schaffen seit jeher eine wichtige Rolle. Von der Gründung des Orchesters 1997 bis 2011 war Konstantin Pfiz Solocellist des Mahler Chamber Orchestra. Als Solocellist trat er unter anderem auch mit dem Philharmonia Orchestra London, dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam, den Münchner Philharmonikern, der Staatskapelle Dresden, dem Gewandhausorchester Leipzig, den Bamberger Symphonikern und dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia auf. Des Weiteren ist er Gründungsmitglied des Lucerne Festival Orchestra.
Foto: © Jenny Rosentreter
Klavier
Beschreibung Simon Kasper wurde 1989 in Jever geboren und bekam seinen ersten Klavierunterricht im Alter von sechs Jahren. Im Jahr 2000 wurde er Schüler von Gundolf Semrau an der Musikschule Friesland in Jever. Hier wurde er auf das Studium der Musik nach dem Abitur und Zivildienst vorbereitet. Ein Meisterkurs bei Prof. Joseph Anton Scherrer sowie preisgekrönte Teilnahmen bei »Jugend musiziert« als Solist und als Kammermusikpartner fallen ebenfalls in die Zeit seiner frühen musikalischen Entwicklung. 2009 begann er das Studium für Schulmusik an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, wo er seine Schwerpunkte auf die künstlerischen Studienfächer legte. Die Klavierklasse von Prof. Tinatin Gambashidze verließ er mit der Bestnote. Ebenfalls mit der Bestnote ausgezeichnet wurde er im Fach Chorleitung (Prof. Cornelius Trantow) und Orchesterleitung (Prof. Lorenz Nordmeyer). Gegen Ende seines Studiums beschloss er, sich künftig ganz seiner großen Leidenschaft, dem Konzertieren und Unterrichten im Klavierspiel, zu widmen. In die Zeit seines Studiums fallen etliche Konzerte als Solist in Klavierabenden, als Kammermusikpartner und als Begleiter von Chören. Das Klavierkonzert von Edvard Grieg führte er mit dem Hamburg-Orchester, verschiedene Klavierkonzerte von Mozart und Bach mit dem Barockorchester Concertino Hamburg auf. In der jüngeren Vergangenheit widmete er sich vermehrt dem Dirigieren. Anfang 2016 gründete er das Ensemble Collegium Vocale Jever. Seit der Spielzeit 2017/2018 arbeitet er auch als musikalischer Leiter an der Landesbühne Niedersachsen Nord.
Foto: © Jenny Rosentreter
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